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Mit welchen kennzahlen ihr produktmarkt-fit wirklich sichtbar wird — ein praxistest für gründer

Mit welchen kennzahlen ihr produktmarkt-fit wirklich sichtbar wird — ein praxistest für gründer

Als Gründerin habe ich gelernt: Produkt-Markt-Fit ist kein schicker Slogan, sondern eine Reihe von beobachtbaren Signalen — und ja, sie lassen sich messen. In diesem Beitrag teile ich meinen praxistest, mit dem ihr systematisch und datengetrieben überprüfen könnt, ob euer Produkt wirklich beim Markt ankommt. Kein Bauchgefühl, sondern Kennzahlen, die Entscheidungen ermöglichen.

Warum Produkt-Markt-Fit messen?

Viele Gründerinnen und Gründer verharren in der Annahme, dass Wachstum automatisch bedeutet, das Produkt passe. Das stimmt nicht. Wachstum kann trügerisch sein (z. B. durch Marketing-Budgets oder Promotionen). Ich bevorzuge Kennzahlen, die echtes, nachhaltiges Nutzer- oder Kundeninteresse widerspiegeln: Wiederkauf, Retention, organische Weiterempfehlung, Nutzungstiefe und die Zahlungsbereitschaft.

Die fünf KPI-Säulen meines Praxistests

Ich messe Produkt-Markt-Fit entlang von fünf Säulen. Jede Säule beantwortet eine konkrete Frage — zusammen geben sie ein robustes Bild.

  • Retention & Cohort-Analyse — Bleiben Kunden nach der ersten Nutzung? Wie entwickelt sich die Nutzerbindungsrate über Wochen oder Monate?
  • Activation & Time-to-Value — Erfolgt die erste wertstiftende Erfahrung schnell genug, damit Nutzer dranbleiben?
  • Engagement & Nutzungsmuster — Wie intensiv und regelmäßig verwenden Kunden das Produkt?
  • Monetarisierung & Zahlungsbereitschaft — Zahlen Kunden freiwillig und wiederholt? Steigern sich ARPU (Average Revenue Per User) oder Wiederkäufe?
  • Net Promoter Score (NPS) & virales Wachstum — Empfehlen Kunden das Produkt weiter? Kommt ein signifikanter Anteil organisch?
  • Konkrete Kennzahlen und Benchmarks

    Benchmarks sind immer relativ — je nach Branche, Geschäftsmodell (SaaS, Marketplace, E-Commerce) variieren die Zielwerte. Trotzdem habe ich in zahlreichen Projekten Muster beobachtet, die als Ersteinschätzung dienen:

    KPIs Was es aussagt Pragmatischer Richtwert
    30-Tage-Retention Wie viele Neukunden bleiben nach 30 Tagen aktiv? Consumer-App: >20% | SaaS: >40%
    Time-to-Value (TTV) Wie schnell erzielt ein Nutzer echten Nutzen? Idealerweise < 7 Tage (B2C), < 14 Tage (B2B)
    Churn Rate (monatlich) Wie viele Kunden verlieren wir pro Monat? SaaS: < 5% | Subskriptionen allgemein: < 3–8%
    ARPU / Wiederkaufrate Monetarisierungsstärke und Loyalität Jährliche Wiederkaufsrate > 40% (E-Commerce), ARPU-wachstum > 10% p.a.
    Net Promoter Score (NPS) Kundenzufriedenheit und Empfehlungsbereitschaft > 30 = gut, > 50 = exzellent
    Organischer Anteil der Nutzerakquise Wie viel Wachstum ist ohne bezahlte Kanäle? Bei entdeckt-growth: > 40% organisch

    So führe ich den Praxistest durch — Schritt für Schritt

    Der Test ist pragmatisch und in zwei Wochen durchführbar, wenn die Dateninfrastruktur vorhanden ist. Fehlt sie, ist der erste Schritt, Tracking und einfache Dashboards aufzubauen.

  • Woche 0 — Hypothesen formulieren: Formuliert klare Hypothesen: „Unsere Kunden sehen in Woche 1 einen Mehrwert, wenn sie X tun.” Oder: „Kunden, die Feature Y nutzen, haben 50% höhere Retention.”
  • Woche 1 — Tracking & Baseline: Stellt sicher, dass Events, Funnel-Stufen und Revenue-Daten erfasst werden. Erstellt Cohort-Analysen (Kunden nach Erstkontakt segmentiert) und messt TTV und Activation-Rates.
  • Woche 2 — Analyse & Quick Wins: Identifiziert Muster: Welche Aktionen korrelieren mit Retention? Welche Segmente churnen? Testet kleine Interventionen (Onboarding-Änderung, E-Mail-Sequenz, Pricing-Anpassung) und verfolgt die KPIs.
  • Ich empfehle, nicht mehr als drei Hebel gleichzeitig zu verändern — sonst wisst ihr nicht, was wirkt.

    Beispiel aus der Praxis

    In einem meiner Projekte hatte ein SaaS-Produkt eine akzeptable Anmelderate, aber schwache 30-Tage-Retention (ca. 22%). Die Hypothese: Nutzer verstehen den Kernnutzen nicht schnell genug. Wir messten TTV und segmentierten nach Feature-Nutzung. Ergebnis: Kunden, die innerhalb der ersten 72 Stunden das Template-Feature nutzten, hatten eine 65% höhere Retention.

    Maßnahme: Wir optimierten das Onboarding so, dass das Template-Feature prominent und interaktiv vorgestellt wurde, plus eine 72-Stunden-E-Mail mit konkreten Use-Cases. Ergebnis nach 8 Wochen: 30-Tage-Retention stieg auf 38% — kein zusätzliches Marketingbudget, nur Produkt- und Kommunikationsoptimierung.

    Was tun, wenn die KPIs schlecht sind?

    Schlechte Kennzahlen sind kein Versagen, sondern ein Signal. Priorisiert Maßnahmen nach Hebelwirkung und Aufwand:

  • Schneller Hebel, geringer Aufwand: Onboarding, hilfreiche Default-Einstellungen, klare CTA im Produkt, Follow-up-E-Mails.
  • Mittlerer Aufwand: Produktänderungen, UI/UX-Tests, Pricing-Experimente.
  • Hoher Aufwand: Pivot im Geschäftsmodell, Neupositionierung, technologische Neuentwicklung.
  • Mein Tipp: Startet mit dem Onboarding und dem ersten Wertversprechen — das sind meist die niedrig hängenden Früchte.

    Vorsicht: KPI-Fallen, die ich häufig sehe

    Ich habe drei Fallen identifiziert, die Gründer oft übersehen:

  • Vanity Metrics: Seitenaufrufe, Anmeldungen ohne Aktivierung oder Revenue sagen wenig über echten Fit.
  • Zu frühe Monetarisierung: Wenn ihr zu früh auf Preispunkte besteht, vergrault ihr möglicherweise Nutzer, die noch nicht den Mehrwert erkannt haben. Testet hybride Modelle: Free Trial + Freemium vs. kurzzeitige Promotions.
  • Segment-Blend: Durchschnittswerte kaschieren Unterschiede. Untersucht eure Cohorts und Segmente — oft steckt im Long Tail das Problem oder die Chance.
  • Tool-Empfehlungen für die Umsetzung

    Für schnelle Analysen und Automatisierung nutze ich gerne:

  • Analytics: Google Analytics 4 (für Web), Mixpanel oder Amplitude für kohortenbasierte Events.
  • User Feedback & NPS: Hotjar, Typeform, Delighted.
  • Onboarding/Activation: Intercom, Appcues, oder simple E-Mail-Automatisierungen via Mailchimp/HubSpot.
  • Die Tools sind Mittel zum Zweck — wichtiger ist, die Daten konsequent zu interpretieren und Maßnahmen abzuleiten.

    Wenn ihr möchtet, kann ich euch ein einfaches Dashboard-Template und eine Checkliste für den Zwei-Wochen-Praxistest zur Verfügung stellen, das ich in mehreren Gründungsprojekten erfolgreich eingesetzt habe. Schreibt mir kurz, welche Branche und welches Geschäftsmodell ihr habt — dann passe ich die Empfehlungen an.

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